Ein Beraterinterview

                     

Seit dem 9. Mai 2017 läuft die kostenlose Rechtsberatung in Belangen des Asyl- und Ausländerrechts durch die Refugee Law Clinic Mainz e.V. Die ersten Mandanten wurden erfolgreich beraten. Nun ist es Zeit ein erstes Fazit zu ziehen. Lisa Thielsch hat die Ausbildung zur Beraterin im Wintersemester 2016/17 erfolgreich abgeschlossen und ist seit Mai 2017 auch als Beraterin tätig. Sie ist bereit uns von ihren Erfahrungen zu berichten.

Was studierst du?

Ich studiere Lehramt Englisch, Politik und Religion und komme jetzt ins zweite Mastersemester.

Wie bist du auf die RLC aufmerksam geworden und wieso hast du dich dazu entschlossen die Ausbildung zur Beraterin zu machen?

Ich habe durch eine Infoveranstaltung von der RLC gehört und habe daraufhin per Mail Kontakt aufgenommen. Ich habe mich sehr für die Ausbildung interessiert, da ich schon seit mehreren Jahren als ehrenamtliche Beraterin für Flüchtlinge tätig bin und dabei juristisches Wissen durchaus hilfreich wäre. Außerdem war ich durch meine ehrenamtliche Arbeit selbst schon in Situationen, in denen ich mir eine solche Beratung gewünscht hätte. Deswegen wollte ich auch nicht nur die Ausbildung machen, sondern danach auch wirklich in Mainz beraten.

War es für dich schwierig die juristische Denkweise und Arbeit zu verstehen und zu erlernen?

Natürlich fehlen mir juristische Grundkenntnisse, wodurch es teilweise nicht ganz einfach für mich war. Allerdings sind wir Berater bei den Terminen nie alleine, sondern immer in zweier Teams. Dadurch kann der zweite Berater immer einspringen, wenn man mal nicht weiter weiß.

Du gehörst zum ersten Ausbildungsjahrgang, wie hast du die Ausbildung insgesamt empfunden? Wie lief sie ab?

Die Ausbildung bestand aus einer wöchentlichen Vorlesung zum Thema Migrationsrecht. Zusätzlich gab es mehrere Seminare von Anwälten, die im Bereich des Asylrechts tätig sind und von ihren Erfahrungen berichtet haben. Besonders die Seminare haben mir sehr gut gefallen, davon hätte es gerne noch mehr geben können. Es war super interessant von den Erfahrungen der Anwälte zu hören und auch zu lernen, dass Theorie und Praxis oftmals weit auseinander liegen. Toll finde ich außerdem, dass die Seminarleiter auch nach Abschluss der Beraterausbildung immer offen für Fragen waren und auch immer noch sind. Neulich habe ich während einer Beratung einen der Anwälte kontaktiert. Er hat auch sofort nachgefragt, was er im nächsten Seminar noch stärker thematisieren soll, sodass die Ausbildung an die Beratung angepasst werden kann. Insgesamt konnte ich durch die Ausbildung sehr viel Neues lernen und wurde gut auf die Beratung vorbereitet.

 Wie läuft ein Beratungstermin üblicherweise ab?

Es fängt damit an, dass sich der Mandant über das Online Formular anmeldet. Dabei gibt er auch schon eine kurze Information darüber an, worum es in seinem Fall geht. Dies wird dann an das jeweilige Beraterteam weitergegeben, damit wir uns schon ein bisschen auf den Termin einstellen können. Dadurch können die Fragen meist in einem Termin beantwortet werden, sodass kein Folgetermin mehr vereinbart werden muss. Für uns Berater beginnt es damit, dass wir uns für die einzelnen Termine eintragen, an denen wir beraten können. Dann werden die Zweierteams zusammengestellt, die dann Zugriff auf die jeweilige Akte bekommen, um schon zu erfahren, wie die Person heißt, aus welchem Land sie kommt, worum es grob geht, aber auch, ob ein Dolmetscher erforderlich ist. Die Beratung selbst beginne ich damit die mitgebrachten Unterlagen durchzuschauen, um dann gezielter Fragen stellen zu können, damit man nicht zu schnell mit der Beratung anfängt und es eigentlich doch um etwas anderes geht. Im Team versuchen wir dann eine Lösung für das Problem des Mandanten zu finden. Abschließend schreiben wir noch ein Protokoll des Gespräches, welches dann auch an den Mandanten weiter gegeben wird.

 Ihr übernehmt als Berater eine gewisse Verantwortung für den Mandantan, warst du daher vor deinem ersten Beratungstermin sehr nervös?

Für mich war es tatsächlich nicht so schlimm, weil ich schon Erfahrung in der Beratung von Flüchtlingen gemacht habe. Allerdings ist bei der Rechtsberatung das besondere, dass man mehr Verantwortung trägt als bei meiner bisherigen Beratung, die vielmehr auf freundschaftlicher Basis statt fand. Man hat schon Respekt davor, dass man bloß nichts Falsches sagen darf . Beruhigend ist aber, dass jeder unserer Mandanten einen Beratungsvertrag unterschreiben muss, in dem darüber informiert wird, dass wir alle Studenten sind und eben noch nicht fertig mit der Berufsausbildung. Außerdem steht uns bei jedem Termin ein Anwalt zur Seite, der zwar nicht bei dem Gespräch körperlich anwesend , aber telefonisch erreichbar ist, um uns direkt helfen zu können. Es wäre schon frustrierend, wenn ein Mandant Hilfe sucht und wir nicht unmittelbar etwas tun können. So können wir zumindest direkt eine Meinung oder einen Rat eines Anwalts einholen und dies an den Mandanten weiter geben. Wichtig ist aber, dass wir kein Anwaltersatz sind. Wenn das Problem nur durch einen Anwalt geklärt werden kann, müssen wir die Mandanten dann auch weiter verweisen. Allerdings konnten in meinen Beratungsterminen bisher alle Fragen ohne Verweisung an einen Anwalt geklärt werden.

Gibt es Probleme, die sich immer wieder während der Beratung zeigen? Was ist bei der Beratung am schwierigsten?

Es ist ganz schwierig erstmal einen Überblick darüber zu bekommen, was wirklich schon alles gemacht wurde. Dabei geht es vor allem darum, welche Anträge schon gestellt wurden, wie weit das Verfahren ist oder auch ,ob schon ein Anwalt eingeschaltet wurde. Dafür ist es sehr wichtig, dass die Mandaten alle Dokumente und Unterlagen mitbringen, damit wir auch schauen können, ob wir überhaupt noch helfen können oder ob bereits Fristen abgelaufen sind. Bis jetzt haben aber zum Glück alle immer ihre Dokumente dabei gehabt.

Eine weitere Schwierigkeit stellt bestimmt die Sprachdifferenz dar, wie hast du dies bisher empfunden?

Bis jetzt lief es eigentlich ganz gut. Ich hatte schon Termine bei denen Freunde oder Betreuer übersetzt haben, aber auch schon einen bei dem ein Dolmetscher aus unserem Dolmetscherpool ausgeholfen hat. Die Mandanten geben bei der Anmeldung an, ob sie einen Dolmetscher brauchen oder nicht. Dadurch kann frühzeitig ein Dolmetscher organisiert werden, wenn die Übersetzung mit Englisch und Deutsch durch Betreuer oder Freunde nicht ausreicht.

Haben sich bereits bestimmte Themen als Schwerpunkt herausgestellt oder tauchen immer wieder neue Fragen auf?

Bis jetzt ist der Themenbereich weit gefächert. Es gab schon Fragen zum Familiennachzug, zum Verfahren nach der Ablehnung eines Asylbescheides oder auch zur Wiedereinreise nach einer Abschiebung. Richtige Schwerpunkte, also Probleme die immer wieder auftreten, gibt es bis jetzt also noch nicht.

 Wie bereitest du dich auf den Beratungstermin vor?

Ich schaue mir in der Akte erstmal an worum es geht und vor allem um welches Herkunftsland es sich handelt. Dadurch kann ich mich bereits vor der Beratung genauer über die Situation in dem jeweiligen Herkunftsland informieren. Dabei helfen mir auch Urteile von Gerichten zu ähnlichen Fällen aus diesen Ländern, damit ich schon mal eine grobe Orientierung für die Beratung habe. Außerdem gibt einem dies auch mehr Sicherheit für die Beratung und macht es generell leichter.

Das klingt alles sehr zeitintensiv. Ist die Beratung neben dem Studium deiner Meinung nach möglich?

Ich interessiere mich generell neben dem Studium sehr für dieses Thema. Mittlerweile habe ich auch einige Freunde mit Fluchterfahrung. Daher ist es für mich auch aus privaten Gründen hilfreich, wenn ich mich näher informiere. Es kostest zwar viel Zeit, aber hilft mir persönlich auch weiter. Außerdem steht es uns frei, wie oft wir uns für Beratungstermine eintragen, das heißt jeder kann selbst entscheiden, wann er ausreichend Zeit hat.

Momentan läuft ja der zweite Ausbildungsdurchgang, hast du einen Tipp für andere Berater, die vor ihrem ersten Beratungstermin stehen?

Das ist schwierig, weil ich selbst nicht so aufgeregt war. Ich denke man darf sich selbst keinen zu großen Druck machen, dass direkt alles perfekt klappen muss und man direkt auf jede Frage die perfekte juristische Antwort weiß. Außerdem hilft es bestimmt, wenn man schon Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit hat. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht,  dass es ein anderes Gefühl ist, wenn man beispielsweise zum ersten Mal in einer Flüchtlingsunterkunft ist. Da ist einfach erstmal eine gewisse Distanz. Man wird beäugt und man beäugt selbst. Man ist sich vielleicht auch unsicher, was man fragen darf und was eventuell zu persönlich ist. Ich mache es daher meistens so, dass ich mir die Unterlagen und Dokumente bei der Beratung nehme, damit ich erstmal die Geschichte dahinter verstehe und dann gezielter nachfragen kann. Ich glaube einige haben etwas Angst, dass dies zu privat sein könnte. Ich frage aber auch immer vorher, ob es okay ist, wenn ich die Sachen durchlese oder offen über die Fluchterfahrung spreche. Dadurch weiß ich direkt am Anfang wie ich weiter in der Beratung vorgehen kann. Also mein Tipp: Einfach offen und entspannt bleiben, dann funktioniert das schon.

Wie schwer fällt es dir nach einem Beratungstermin abzuschalten und wie gehst du mit den einzelnen Schicksalen um?

Ich hatte bisher nicht das Problem, dass ich nach Hause gegangen bin und mich der Fall noch ewig persönlich beschäftigt hat. Ich beschäftige mich eher damit, dass ich darüber nachdenke welche Möglichkeiten es noch für den Mandanten gibt, die ich während der Beratung nicht gesehen habe. Außerdem ist es für mich auch nicht neu von schlimmen Schicksalen zu erfahren und damit umzugehen. Dadurch, dass wir in den meisten Fällen auch nur einen Termin mit dem Mandanten haben und eben gerade keine dauerhafte Begleitung, wird man auch davor geschützt zu viel mit nach Hause zu nehmen. Man wird quasi gezwungen loszulassen. Bis jetzt hatte ich aber auch noch keinen Fall, bei dem ich gedacht habe, dass ich es nicht schaffe. Es kann aber immer mal passieren, dass jemand eine Geschichte erzählt, die einen dann auch mitnimmt. Für mich ist es aber auch nichts Negatives, wenn ich von solchen Geschichten dann auch berührt bin. Das macht einen nur menschlich.

Gibt es deiner Meinung nach bestimmte Voraussetzungen, die man mitbringen sollte, wenn man als Berater bei der RLC tätig sein möchte?

Ich denke das Wichtigste ist, dass man ein gewisses Interesse für das Thema mitbringt. Natürlich ist es auch gut, wenn man kein Problem damit hat, mit anderen zu sprechen, also nicht scheu ist. Wobei meiner Meinung nach auch schüchterne Leute beraten können, weil wir ja immer in Teams arbeiten. Wenn man sich nicht richtig traut Fragen zu stellen, kann man trotzdem mit seinem Fachwissen glänzen und den anderen Berater unterstützen. Das ist also kein Ausschlussgrund, aber macht es für einen selbst natürlich einfacher. Ansonsten braucht es nichts Besonderes außer Motivation, Leidenschaft und Interesse.

Was konntest du denn für dich persönlich und auch juristisch aus der Ausbildung und insbesondere der Beratung mitnehmen?

Vom juristischen Standpunkt her fühle ich mich einfach selbstsicherer. Man liest immer viele Sachen in den Medien und im Internet und jetzt kann ich besser einschätzen was davon wirklich auch stimmt. Ich kann jetzt mit dem Gesetz umgehen, kenne mich mit den Rechtsprechungen aus und weiß genauer wo ich welche Informationen finde. Super finde ich auch, dass immer wieder Seminare stattfinden, damit man auf dem neusten Stand bleibt, da es gerade im Asylrecht oft Änderungen gibt. Das alles hat mir auch persönlich insoweit weitergeholfen, dass ich mich sicherer fühle, wenn ich in meinem Bekanntenkreis Tipps gebe, da ich jetzt ein größeres Hintergrundwissen besitze.

Das hört sich alles sehr positiv an. Würdest du die Ausbildung und die Beratung also immer wieder machen?

Ja, auf jeden Fall. Ich freue mich jedes Mal wieder auf die Beratungstermine. Wenn ich eine längere Zeit nicht beraten würde, hätte ich auch direkt das Gefühl, dass mir etwas entgeht.

 

Wir bedanken uns bei Lisa für das offene Gespräch und wünschen ihr weiterhin viel Erfolg!

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