Interview mit Mitgliedern des Geflüchtetenchors in Mainz

 

Der Refugee Law Clinic Mainz e.V. liegt viel daran, dass Geflüchtete nicht nur auf ein Merkmal reduziert werden, sondern der ganze Mensch mit seiner Geschichte und all seinen Facetten wahrgenommen wird. So kam es, dass wir, zwei Mitglieder der Refugee Law Clinic Mainz e.V., vor einigen Wochen den Geflüchtetenchor der Mainzer Weltmusik Akademie besuchten, um etwas über die Geschichten der Menschen dort zu erfahren und uns mit ihnen auszutauschen.

 

 

Als erstes sprachen wir mit der Chorleiterin Azadeh Bahrami, 29 Jahre alt, gebürtig aus dem Iran stammend und selbst vor zwei Jahren nach Deutschland geflohen.

 

Wie kam die Idee für den Chor zustande?

Es geht um die Hilfe für Flüchtlinge. Erst war der Chor nur für Frauen, aber dann auch für Männer und es wird ein kulturelles Programm für beide angeboten, um die Energie der Menschen zu nutzen und Depressionen entgegenzuwirken.

 

Weshalb sind Sie nach Deutschland gekommen?

Ich bin Musikerin und im Iran ist es für die Frauen verboten Solo zu singen. Ich habe Musikvideos veröffentlicht, was für mich problematisch wurde. Wegen der Veröffentlichung meiner Musik musste ich zuerst in die Türkei fliehen, wo ich ungefähr vier Monate war. Jedoch bekam man dort keinerlei Hilfe und man muss dort bis zu zehn Jahre ohne Arbeit, ohne Geld und ohne Hilfe warten, bis das Verfahren weiterläuft und das ist unmöglich. Wie alle anderen wurde das Geld für uns irgendwann knapp und wir wollten nicht schwarz arbeiten, da es weder Recht noch Sicherheit dabei gibt. Deshalb haben wir entschieden, über das Meer und den Balkanweg nach Deutschland zu kommen, obwohl es sehr risikoreich war.

 

Lebt Ihre Familie auch hier und wie fühlen Sie sich in Deutschland?

Ich bin hier mit meinem Mann, aber der Rest meiner Familie lebt noch im Iran. Ich fühle mich gut! Ich mache den Master in Bau- und Immobilienmanagement an der Hochschule Mainz und das ist wirklich schwierig, aber ich habe mich dafür entschieden und deshalb bleibe ich dabei.

 

Haben Sie Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache?

Besonders die Fachsprache im Studium und bei Gesetzen ist schwer, da man alles von Grund auf neu lernen muss, weil sie sich sehr von der im Iran unterscheidet.

 

Vermissen Sie den Iran?

Natürlich, es ist meine Heimat. Wenn ich darüber nachdenke werde ich sehr traurig, da unser Land viel Potential hat, aber zur Zeit ist es schwierig dort zu leben und es gibt verrückte Gesetze für Frauen – ich hoffe in Zukunft wird es anders.

 

Hat der Chor Ihnen dabei geholfen, sich in Deutschland wohlzufühlen?

Ja, es gibt einige Deutsche in der Gruppe, die mir wirklich geholfen haben eine Wohnung in Nieder-Olm zu finden und viele andere haben mir ihre Hilfe bei der Sprache angeboten. Es ist wirklich hilfreich, wenn man solche Personen in der Nähe hat.

 

 

Ähnliche Erfahrungen hat Sosan Karzoun, 40 Jahre alt und Französischlehrerin aus Syrien, mit dem Chor gemacht.

 

Konnte Ihnen der Chor helfen, sich in Deutschland besser zu integrieren?

Ja, es sind sehr viele nette Leute, wir sind wie eine Familie hier. Ich bin schon zwei Jahre im Chor und manchmal lade ich Leute von hier zu mir nach Hause ein oder sie helfen mir, meine Dokumente zu übersetzen. Es sind sowohl Geflüchtete als auch Deutsche im Chor.

 

Möchten Sie auch hier in Deutschland als Lehrerin arbeiten?

Natürlich! Ich habe in zehn Tagen ein Prüfung dafür.

 

 

Auch Mohamad Abdi möchte seine in Syrien angefangene Tätigkeit in Deutschland weiterführen. Er ist 24 Jahr alt, ist seit zwei Jahren in Deutschland und wohnt aktuell in Darmstadt.

 

Weshalb sind Sie geflohen?

Ich floh wegen des Kriegs in Syrien, weil ich deswegen mein Studium in Elektrotechnik nicht weiterführen konnte. Ich habe davon gehört, dass es vielleicht die Möglichkeit für mich gibt, mein Studium in Deutschland weiterzuführen, deshalb kam ich über den Balkanweg nach Deutschland. Hier werde ich Medizintechnik studieren, da mein vorheriges Studium ein Teilbereich der Medizintechnik ist.

 

Wie kamen Sie zu dem Flüchtlingschor und haben Sie schon vorher Musik gemacht?

Vor einem Jahr bin ich beigetreten und wir spielen Musik aus vielen verschiedenen Kulturen – türkisch, arabisch, deutsch und wir mischen sie. Ich habe in Syrien für sechs Monate eine Musikschule besucht, danach habe ich mir das Violine spielen selbst beigebracht.

 

Vermissen Sie Ihre Heimat sehr?

Wir vermissen unsere Heimat natürlich, vielleicht kehre ich nach meinem Studium in meine Heimat zurück.

 

 

Die Interviews führte Aline Wambsganss. Mehr Infos zur Mainzer Weltmusik Akademie unter: https://de-de.facebook.com/weltmusikakademiemainz/.